Hallo Max,
danke für Deine ausführlichen Überlegungen.
MAXLombri hat geschrieben:
Das einzige, das meine Würmer vom Wandern abhält, ist eine geschlossen Futterdecke in der Box. Zumindest für mich macht das auch Sinn. In der Box ist es dunkel, die Würmer wissen nicht, dass sie in einer Box leben. Futter gibt's für die Würmer in der Natur nur von oben. Also wandern sie auf der Suche nach Futter nach oben und halten die "leere Box" für einen Hohlraum unter eine Laubschicht. Im Deckel angekommen landen sie dann in den Ritzen (hab ne Eurobox mit Deckel zur Wurmbox um-gebastelt) und verharren dort, denn es ist die vermeintlich höchste Stelle. Insgesamt eigentlich ein evolutionsbedingt glasklares Verhalten.
Von "glasklar" kann hier keine Rede sein, und gerade aus Sicht der Evolution wäre ein solches Verhalten geradezu widersinnig
.
Die von Dir beschriebenen "Hohlräume" kommen in solchen Dimensionen in einer Streuschicht natürlicherweise nicht vor, insofern kann sich hier auch kein spezielles Verhaltensrepertoire entwickelt haben.
Im Gegensatz zu
Lumbricus terrestris sind
Eisenia und
Dendrobena so gut wie nie an der Substratoberfläche anzutreffen, auch die Paarung erfolgt im Substrat.
Lumbricus terrestris zieht aktiv Pflanzenteile in seine Gangsysteme, er "muß" also in regelmäßigen Abständen an die Oberfläche. Kompostwürmern würden sich lediglich der Entdeckung durch Freßfeinde aussetzen, ohne dadurch einen einzigen Überlebensvorteil zu erhalten, die Nahrungsaufnahme erfolgt ja niemals an der Substratoberfläche. Warum sollte also eine derart unsinnige Verhaltensweise selektioniert werden? Die Wanderung nach oben widerspricht auch der Thigmotaxis, also dem Bedürfnis des Wurms möglichst an allen Seiten Kontakt zum Substrat zu halten. Dieser Drang ist sehr ausgeprägt und kann sogar die Lichtphobie überlagern. Aus meiner Sicht findet das Fluchtverhalten daher nur statt, wenn irgendwie "der Wurm drin ist" und die Rahmenbedingungen in einer Wurmfarm nicht optimal sind. Das Problem ist ja die Unmöglichkeit horizontaler Wanderungen durch den limitierten Raum, der Wurm kann im Gegensatz zur freien Wildbahn nicht ausweichen. Welcher Faktor letztendlich der Auslöser ist, kann dann von uns nur sehr schwer herausgefunden werden.
MAXLombri hat geschrieben:Dass die Würmer auch quer wandern und zwar geleitet durch ihren Geruchssinn halte ich mittlerweile für eine Fehlinterpretation gemachter Beobachtungen. (...) Die Würmer auf der Seite ohne Abfälle suchen ihr Glück nämlich immer in Richtung oben, da sie, ohne Nase, die Abfälle in der entlegegnen Ecke gar nicht orten können. Resultat:Würmer im Deckel.
Die von Dir zitierten Informationen aus dem Internet sind zumindest irreführend. Chemorezeptoren finden sich keineswegs nur in der Mundhöhle der Würmer, sondern sind in der Epidermis der gesamten Körperoberfläche eingestreut, schwerpunktmäßig im vorderen Bereich. Die Partnerfindung bei der Paarung erfolgt z.B. ausschließlich über Duftstoffe im Schleim. Auch die Unterscheidung unterschiedlicher Futtersubstanzen und das Vermeiden ungünstiger Substratbereiche (z.B. mit extremen PH-Bereichen) wird über diese Chemorezeptoren gesteuert. Würmer haben zwar keine "Nase", dafür aber einen dezentralisierten Geruchssinn, der über die gesamte Körperoberfläche funktioniert. Lieblingsfutter (z.B. Pferdeäpfel oder Melonen) wird innerhalb kürzester Zeit von einer Wurmarmada belagert, selbst wenn es nur punktuell in die Wurmfarm eingebracht wird. Dieses Phänomen lässt sich nur mit einer zielgerichteten horizontalen Wanderung erklären. Noch auffälliger wird die zielgerichtete Auswahl, wenn gleichzeitig verschiedenes Futter angeboten wird. Schon Darwin hat Versuche mit vergrabenen Fleischstückchen gemacht, die alle in kürzester Zeit entdeckt wurden. Ein einfaches Experiment wäre es, unter dem Futter eine kleine Glas-, Metall- oder Plastikplatte zu vergraben. Die zufällige Wanderung senkrecht nach oben an genau dieser Stelle wäre damit ausgeschaltet und das Futter sollte erst nach geraumer Weile entdeckt werden. Jede Wette die Würmer sind trotzdem wie ein geölter Blitz bei ihren Leckerlis :mrgreen:
MAXLombri hat geschrieben:Um die Wurmbox anfänglich nicht zu überfüttern, sollte man halt nur eine sehr dünne Schicht Abfälle einbringen, diese dafür aber gleichmäßig über die gesamte Oberfläche verteilt. So finden alle Würmer, die in der obersten Schicht wohnen, Futter auf ihrem Weg nach "oben". Das sollte das Fluchtverhalten drastisch reduzieren.
Ein Vorteil dieser Methode ist sicher die große Oberfläche und die schnelle Umsetzung des Futters. Probleme könnte es dann geben, wenn die Würmer dieses Futter aus irgendwelchen Gründen ablehenen. In diesem Fall gäbe es in der Wurmfarm keine "neutralen" Bereiche mehr in die sich die Würmer zurückziehen könnten. Ich bringe das Futter ebenfalls in einer dünnen Schicht aus, bedecke aber immer höchstens die halbe Fläche.
LG Werner