Eisenia nordenskioldi: Ein Wurm, der das Einfrieren des Körpers überlebt.

Kompostwürmer für den Garten oder als Futtertier? Fragen zu den Spezies: Eisenia foetida, Dendrobaena veneta oder doch ein Regenwurm (Lumbricus terrestris) ? Dann bist Du hier richtig!
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Peter_86
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Eisenia nordenskioldi: Ein Wurm, der das Einfrieren des Körpers überlebt.

Beitrag von Peter_86 »

Passend zum Wetter bin ich auf folgende Spezies gestoßen: Eisenia nordenskioldi.

Diese Würmer sind im asiatischen Teil Russlands weit verbreitet und kommen dort bis in die subarktische Tundra Sibiriens vor. In diesen Gebieten gibt es kontinuierlichen Permafrost, das heißt, der Boden ist in tieferen Schichten dauerhaft gefroren. Die oberen Bodenschichten sind nur im Sommer frostfrei. Im Winter können die Würmer nicht vor dem Frost nach unten fliehen (so wie es die heimischen Regenwürmer tun), da der Boden dann komplett gefriert.

Frei nach dem Motto “Ein echter Russe kennt keine Kälte” können die Würmer der Art Eisenia nordenskioldi komplett einfrieren und sind nach dem Auftauen zu großen Teilen wieder lebendig (und produzieren neue Kokons)!
Die Würmer überleben den Frost, weil ihre Körper bei Bodentemperaturen von 0 °C und darunter eine Art körpereigenes Frostschutzmittel produzieren: Es kommt zu einem starken Anstieg von osmotisch wirksamen Substanzen (z. B. Glukose, Glycerin, Harnstoff) in der Körperflüssigkeit.*

Das wäre doch die richtige Spezies für Wurm-Kompostierer in besonders kalten Regionen, wie z. B. in den Alpen, oder auch im „sächsischen Sibirien“ im Erzgebirge (z. B. waren es letzte Nacht in Marienberg, Ortsteil Kühnhaide -31,1 °C in 2 m Höhe, am Boden waren es sogar -34,4°C). (cold)

* Quellen:
http://www.sciencedirect.com/science/ar ... 6313000460
Zitat:
“Eisenia nordenskioldi subsp. nordenskioldi (Eisen, 1879) is the most cold-tolerant earthworm species that is widespread in Northern Eurasia.”
M. Holmstrup á J. P. Costanzo á R. E. Lee Jr. Cryoprotective and osmotic responses to cold acclimation and freezing in freeze-tolerant and freeze-intolerant earthworms. J. Comp. Physiol. B (1999) 169: 207-214

https://www.researchgate.net/publicatio ... eldi_Eisen
M. Holmstrup, B.F. Petersen. Freeze-tolerance in the subarctic earthworm Eisenia nordenskioeldi (Eisen). Cryo letters 18(3):153-156 · May 1997 with 1 Reads
Zitat:
“Abstract
The survival of freezing in the Siberian earthworm Eisenia nordenskioeldi was tested under dry conditions and in frozen soil. Worms cooled under dry conditions to -4.5°C for 24 hours had a mean temperature of crystallisation of -3.5°C. The survival rate of animals exposed in frozen soil for 56 days was 50 to 82 % at temperatures between -4 and -10°C. After warming to summer temperatures, animals previously frozen produced viable egg capsules (cocoons). This is the first evidence for freeze-tolerance in an earthworm species.”
Die ganze Masse des oberflächlichen Humus ist durch die Körper der Regenwürmer hindurchgegangen. Man kann bezweifeln, dass es noch viele andere Tiere gibt, welche eine so bedeutende Rolle in der Geschichte der Erde gespielt haben. (Charles Darwin)
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Re: Eisenia nordenskioldi: Ein Wurm, der das Einfrieren des Körpers überlebt.

Beitrag von rainer.gutkas@gmx.at »

Hm, ich halte es nicht für eine gute Idee eine Art von A nach B zu übersiedeln, denn wer weiß was sie mit der Umgebung anstellt, sie verändert.
Nacktschnecken,... sind ja hinreichlich bekannt.

Ein Beispiel aus meiner Umgebung. In einem Ort nahe bei uns neu aufgetreten ist ein Wurm, der eigentlich in den Schweizer Alpen heimisch ist. Da er auf Gebirge spezialisiert ist macht er extrem große Wurmhaufen, die die Pflanzen darunter ersticken. Außerdem breitet er sich durch den mangel an natürlichen Feinden schnell aus und ist ein Nahrungskonkurrent für die heimischen Tauwürmer..
markus
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Re: Eisenia nordenskioldi: Ein Wurm, der das Einfrieren des Körpers überlebt.

Beitrag von markus »

Da gibt es genug Beispiele, die mächtig in die Hose gegangen sind!
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Peter_86
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Re: Eisenia nordenskioldi: Ein Wurm, der das Einfrieren des Körpers überlebt.

Beitrag von Peter_86 »

Ich meinte ja nicht, dass man exotische Wurmarten in die freie Natur aussetzten sollte.
In manchen Ländern / Gebieten, wie z. B. Australien, Neuseeland, nördliche USA, ist es sogar verboten, lebende exotische Würmer in die Natur zu bringen. Auch darf man in vielen Ländern keine Erde bzw. Wurmkokons/lebende Würmer einführen, z. B. bei Flug- u. Schiffsreisen.

Exotische Wurmarten wurden vom Menschen verschleppt durch:
  • - beabsichtigte Aussetzung, um Fruchtbarkeit von Äckern u. Weiden zu erhöhen
    - Erde von Topfpflanzen
    - durch den Verkehr: Erde als Schiffsballast, unter Pferdehufen, im Profil von Schuhen, Rädern u. Reifen
    - durch Angler, welche lebende Köderwürmer ausschütteten
In einer geschlossenen Wurmfarm sollten exotische Würmer weniger Probleme machen. Es werden ja verschiedene exotische Wurmarten in geschlossenen Wurmfarmen gehalten.
Laut http://hypersoil.uni-muenster.de/1/02/07.htm ist z. B. Eisenia fetida
„ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatet“
. Aber diese Art wäre wahrscheinlich sowieso nach der letzten Eiszeit früher o. später zu uns gekommen. Nur wandern Würmer relativ langsam in neue Lebensräume ein. Laut dem Buch „Der Regenwurm ist immer der Gärtner“ von Amy Stewart (oekom Verlag, 2015) brauchen die europäischen Regenwurm-Arten in den USA
„ein paar Meter pro Jahr“
(Zitat S. 115). Auf sich allein gestellt, hätten sie ca. 1,5 Millionen Jahre bis Kalifornien gebraucht. Durch den absichtlichen o. unbeabsichtigten Transport durch die europäischen Siedler brauchten die Würmer etwa 200 Jahre (S. 115).
Allerdings können Würmer auch von Natur aus schneller über größere Strecken verschleppt werden: Auf der 1963 neu entstandenen Vulkaninsel Surtsey, welche 30 Kilometer vor Islands Südküste liegt, wurden 1993 Regenwürmer in einer Bodenprobe entdeckt. Vermutlich sind sie durch Vögel aus Heimaey „eingeflogen“ worden [https://de.wikipedia.org/wiki/Surtsey#Andere_Lebewesen].
Schon Charles Darwin beobachtete, dass Vögel manchmal Erde an ihren Beinen, Füßen u. Schnäbeln kleben haben [Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“, 2002, Parkland Verlag; S. 438f.]. Dadurch können Pflanzensamen u. auch Wurmkokons an entfernte Orte transportiert werden.
Eine weitere Transportmöglichkeit sind umgestürzte Bäume, an denen noch Erde klebt. Wenn diese in einen Fluss fallen, kann die Erde (mit darin enthaltenen Wurmkokons) entlang von Flüssen oder auch über Meere und Ozeane transportiert werden.

Bei tropischen Arten wie z. B. Eudrilus eugeniae (African Night Crawler) u. Perionyx excavatus (Blue Worm) gibt es in Deutschland eher kein Problem, da diese Würmer und wahrscheinlich auch ihre Kokons im Freien den Winter nicht überleben.
Ökologische Probleme verursachen könnten eher Wurmarten, bei denen die Kokons u. die Würmer selbst Frost überleben können. Exotische Wurmarten könnten einheimische Wurmarten auf mehrere Weisen gefährden:
  • - Konkurrenz um Futter und Lebensraum
    - exotische Würmer haben evtl. höhere Vermehrungsrate u./o. werden seltener von Fressfeinden getötet (z. B. weil sie eklig schmeckenden Schleim absondern)
    - exotische Würmer könnten Krankheitserreger u. Parasiten einschleppen, die es vorher bei uns nicht gab, und an welche die einheimischen Arten nicht angepasst sind
Falls man den Wurmhumus im Garten anwendet, ist dieser ja selten 100%-ig wurmfrei. Zwar lassen sich die meisten Würmer leicht aussortieren, aber es sind immer noch Kokons vorhanden.
Wenn man eine Weile (bei Zimmertemperatur etwa 2-4 Wochen) wartet u. den Wurmhumus feucht hält, schlüpfen die Jungwürmer und können durch Futter (z. B. Kaffeesatz + Gemüseabfälle) angelockt und dann mitsamt dem Futter entnommen werden. Diese Prozedur muss man mehrmals wiederholen, bis man keine Würmer mehr im Futter findet. Aber selbst dann kann man nicht 100%ig sicher sein, dass sich nicht doch noch einige Jungwürmer im Wurmhumus befinden. Ich hebe oben beschriebene Methode mal in einem Blumentopf durchgeführt: Außer im Futter fanden sich Jungwürmer auch ganz unten im Topf oder sogar darunter, also dort wo es am feuchtesten und dunkel war.

Auch Würmer in der Erde von Zimmerpflanzen könnten in die Natur gelangen, z. B. wenn man die Pflanzen nach draußen stellt (mit Erdkontakt), oder wenn alte Blumenerde im Garten(kompost) oder in die Biomülltonne entsorgt wird.
Die ganze Masse des oberflächlichen Humus ist durch die Körper der Regenwürmer hindurchgegangen. Man kann bezweifeln, dass es noch viele andere Tiere gibt, welche eine so bedeutende Rolle in der Geschichte der Erde gespielt haben. (Charles Darwin)
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