Vorab: Wenn immer nur undifferenziert von Gülle gesprochen wird als wäre das etwas Gleichbleibendes wie eine Kochsalzlösung, was man dann lagern und so wie es bleibt ausbringen kann und nur Mengenbetrachtungen unterliegt, ist das sachlich und fachlich derart Schmalspur, dass man sich alle aufbauenden Erklärungen einfach schenken kann.
Wenn man sich nur eine biologische Kleinkläranlage betrachtet, resultiert deren wirkende Biologie primär nur aus den Darmbakterien, die über den Kot hineingelangen. Biologie steht hier verkürzt für LEBEN, da passiert etwas Laufendes. Da sind Prozesse im Gange. In der kleinen Wurmfarm macht man sich da riesig Gedanken, in einem größeren Topf dann kaum noch. Ist das intellektuell überzeugend?
Die Brühe in der Kleinkläranlage muss regelmäßig belüftet werden, damit die Anlage "läuft". Fällt die Sauerstoffzufuhr aus, kippen die Prozesse in ein Faulen. Das ist nicht nur ungewollt und ungesund, das riecht man auch schon. Das ist im ganz großen Topf Güllebecken auch nicht anders. Also statt neben jedem Stall ein Klärwerk zu bauen (bei deutscher gründlicher Bürokratie auch neben dem mit 6 Kaninchen bestückten Stall oder dem Meerschweinchengehege, ganz sicher dann auch regelmäßig TÜV- und amtsüberwacht), kann man doch anfangen, naturnäher und mit absolut bekannten Maßnahmen Prozesse zu lenken.
Gülle = Stickstoff = Nitrat ?
Erst Nitrat wird ja denitrifiziert, unter bestimmten Umständen. Im Urin und dann auch in Jauche/Gülle hat man erst einmal Harnstoff und Eiweißverbindungen, daraus dann Ammoniak bzw. Ammonium, daraus wird dann erst über Nitrit Nitrat gebildet. Man sollte schon betrachten, auf welcher Stufe eines Prozesses man steht, oder? Wenn meine Gülle mit ganz bestimmter Geruchsnote stinkt, bei Lagerung und bei Ausbringung nach ggf. Monaten, redet man da von Nitrat oder immer noch von Ammoniak? Oder vereinfachend von Stickstoff, der ja auch etwa vier Fünftel unserer Atemluft ausmacht und in jener Erscheinungsform neutral ist?
Sowie zur Wiederholung: Die Reduzierung der Gülle auf nur Stickstoff (+ P + K) ist ja fachlich auch sehr falsch.
Ein Rückblick auf die "Gottgegebenheit": Alwin Seifert schreibt in seinem Buch "Gärtnern, Ackern ohne Gift", erschienen 1971, meine Ausgabe ist von 1991 (237-250T), in der er eigene Erlebnisse und Erfahrungen aus 40 Jahren niederlegt:
Nun aber kommt Güllewirtschaft überallhin als neueste Mode, jedoch als Zwangsmethode ... "Schwemmentmistung" ist heute Trumpf; der Staat bezuschußt Stallneubauten nur, wenn Schwemmentmistung eingerichtet wird, wenn also der Mist durch Wasser in die Güllegrube gespült wird, in der er nicht verrottet, sondern verfault.
Viel schwieriger ist es noch, mit "Gülle" richtig umzugehen. Gülle ist Stalljauche, in die der ohne Einstreu gewonnene Stallmist hineingerührt ist. Die Güllewirtschaft stammt aus der Schweiz und ist stark verbreitet worden im bayrischen Allgäu, weil man mit ihr im gebirgigen Gelände Mist und Jauche mit Schlauchleitungen sehr einfach über das Grünland ausbringen kann. Einseitige Übertreibung hat vor etwa 35 Jahren in der Schweiz zu großen Sorgen geführt, weil immer weniger Käse I. Klasse ausgeführt werden konnte. Allzu primitive Form der Anwendung brachte im Allgäu weite Verbreitung der Tuberkulose, auch in der Bevölkerung; das Allgäu hatte den geringsten Anteil wehrtauglicher junger Männer in ganz Bayern! Die Güllegruben lagen als hölzerne Beschlächte im Stall selbst unter dem Mistgang (1923 sogar noch im Musterbetrieb "Spitalhof" in Kempten). Das Vieh stand unter Ammoniakdunst, es konnte nicht gesund sein.
Bewusstseinserweiternd, so ein Blick in die jüngere Geschichte ...?
Ließe sich überhaupt Kot und Urin der Nutztiere getrennt erfassen?
Früher kannte der Bauer (der mit der Mistgabel) Misthaufen und Jauchegrube. Der Mist auf dem Haufen war zwar mehr oder weniger uringetränkt, aber er stand nicht unter Wasser und somit unter Luftabschluss. In der Jauchegrube war dann nur Jauche, das war mengenmäßig eine ganz andere kleinere Nummer.
Gibt es das modern? Just vorgestern habe ich auf einem größerem Feld riesige Misthaufen (für sich) gesehen, in Anbetracht der Weiträumigkeit des Feldes, auf dem er verteilt werden soll, war es dann nicht sehr viel.
Aus eingeweihten Kreisen (man kann auch mit Bauern reden, nicht nur über sie) weiß ich, dass solche Feldhaufen nur mit abgelagertem Mist (älter als 6 Monate) errichtet werden dürfen. Breitverteilt wird das dann erst im Frühjahr im Rahmen der Feldbestellung. Das ist dann schon Naturdünger.
Wobei: Mit etwas Zugabe von normaler Erde (Alwin Seifert spricht von etwa 1:20 bis 1:30) könnte man die Ablagerung auch in gewünschte Rotte bringen.
Vor einem Vierteljahr habe ich übrigens auch schon gefrevelt und mich an den Resten eines gleichartigen Misthaufens, der vor über einem Jahr in meiner Schubkarrenreichweite errichtet wurde und wo mir der Bagger, der durchaus sauber gearbeitet hat, einige Reste übrig gelassen hat, bedient. Hier aber als Zumischung zu meinem Kompost.
Vom daran involvierten Milchkuhstall weiß ich, dass er vor etwa 15 Jahren abgebrannt ist und neu aufgebaut wurde und somit einer gewissen Moderne entsprechen dürfte.
Wenn man aber die Gülle schon hat, was in Schweineställen wahrscheinlicher sein wird, kann man wie schon mehrfach geäußert ebenfalls eine Kompostierung einleiten anstatt des Dahinfaulenlassens. Siehe auch
Güllebehandlung durch Pflanzenkohle
Allerdings sollte sich auch die Politik mit angeschlossener Wissenschaft dafür interessieren - was derzeit nicht der Fall ist. Diese gibt ab 2020 eine neue Ausbringtechnik vor, für die Landwirte erheblich investieren müssen. Dieser gleichen Politik ist es aber egal, was da ausgebracht wird, egal, ob faule Pampe, Flüssigkompost oder das Filtrat aus dem stalleigenen Klärwerk. Investitionen in die letzten beiden Bereiche wären hauseigenes zusätzliches Hobby, auch finanztechnisch, und entheben selbstredend nicht von der Ausführung nach Düngemittelverordnung.
Verbot des Pflanzenanbaus rein zu energiewirtschaftlichen Zwecken ...
in der letzten Zeit ist zu beobachten, dass die Gülle eine Nachbehandlung in Biogasanlagen erhält
Die Brühe aus einer Biogasanlage ist nicht weniger problematisch als jene aus dem Güllebecken. Etwas Labor inklusive Mikrobiologie (=> Stichwort "Qualität der Recherche") wäre angemessen. Im Prinzip fault es da auch und es wird Methan abgezogen.
Wenn man sich Stimmen von Landwirten anhört, kommen da auch solche Argumente (denen ich mich nicht ignorierend verschließen kann):
1) Biogasanlage: BIO ist immer gut, regenerative Energie ist super.
Und: Biogasanlagen wurden und werden gefördert, in einem Rahmen, der es auch wirtschaftlich erst interessant macht, Feldfrüchte rein für die Biogasanlage anzubauen und somit einem Nahrungskreislauf zu entziehen. Durch die wirtschaftliche Attraktivität kann man auch höhere Pachten bezahlen (60% der Nutzfläche sind gepachtet), es findet eine Verdrängung der herkömmlichen Bauern statt, wobei die geliebteren kleineren Betriebe mehr betroffen sind. Hallo Biobauer! Wie fühlst Du Dich?
Jetzt verbiete mal, was Du kräftig förderst! Und sprich allgemein verständlich darüber.
2) Der Viehbestand in Deutschland wächst nicht, er fällt. Es sollen sogar weniger Großvieheinheiten (GVE) pro Einwohner sein als zu Zeiten des ersten Weltkrieges. Es wird allerdings mit weniger Vieh viel mehr Fleisch erzeugt. Das publizierte und gefühlte "immer mehr" wäre also differenzierter zu betrachten.
Weniger Vieh würde auch heißen, dass deren Ausscheidungen nicht unendlich gestiegen sind. Man kann aber damit arbeiten und mit Wasser ein "sehr viel" und "viel problematisch" erzeugen.
3) Die Nitratbelastung im Grundwasser ist eventuell eine andere, niedrigere, als man gemeinhin glauben mag.
In Deutschland gibt es weniger Messstellen als in solchen Flächenländern wie Dänemark oder Belgien. Dafür sind jene besonders in kritischen Gebieten angesiedelt, nach deutschem Sinn für Gefahrenabwehr. Ein Durchschnitt daraus bewirkt andere Schlussfolgerungen als ein solcher mit einer normalverteilten Messstellenverteilung.
Mit Video:
Das deutsche Nitratmessnetz
4) Real hat man in der Vergangenheit eine Entlastung beim Nitratproblem festgestellt (von welchem Niveau siehe 3)). Die Nitratbelastung stieg aber signifikant dort wieder an, wo verstärkt Biogasanlagen in Betrieb genommen wurden. Die Wohltat für die Umwelt wird zur Umweltbelastung?
Schwarz oder weiß? Etwas verbieten, etwas fördern, vom Schreibtisch aus mit gehörig Ideologie und geglaubtem Sachverstand, womöglich kräftig geschoben von finanzkräftigen Interessengemeinschaften, verstärkt durch Medien, die gerne nur abschreiben und das dann noch bruchstückweise und sinnentfremdet (Beispiel: Spinat enthält sehr viel Eisen) ...
... der hier keine Alternative schuldig blieb ...
So spricht einer, der sich auskennt. Oder glaubt, dass er sich auskennt.
Ich selber bin im kreativen Zweifel, auch wenn Zweifel anstrengender ist als Glaube.